Produkt: Rundschau für Internationale Damenmode 05.2019
Rundschau für Internationale Damenmode 05.2019
Fachzeitschrift für internationale Damenmode und Schnitt-Technik +++ Brautkleider +++ Porträt: Helen Bender +++ Spitzen Verarbeitung +++ Schweizerische Textilfachschule

Die Geschichte des Kopftuchs

Vom Nemes der Pharaonen zum Hermès-Foulard

Vom Nemes-Kopftuch zum Hermès-Foulard
Vom Nemes-Kopftuch zum Hermès-Foulard – Das Kopftuch auf seinem Weg zum Trend-Accessoire. (Bild: © Stefan Knauer Photographie)

Kopftücher verkörpern nicht nur modische Hüllen, sondern sind auch Symbole mit kulturellem oder religiösem Hintergrund. Heute tragen trendbewusste Frauen elegante Seidencarrés, wie zum Beispiel ein kunstvolles Hermès-Foulards oder ein lässiges Bandana als kreatives Styling Accessoire auf dem Kopf. Drapiert oder individuell gebunden setzen Tücher modische Akzente.

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Aufzeichnungen über den traditionellen Kopfputz reichen bis in die Antike zurück – bereits 2000 Jahre vor Christi markierte er in Assyrien und Ägypten nicht nur die gesellschaftliche Stellung, sondern auch die Regierungsgewalt. In den germanischen Provinzen bedeckten verheiratete Frauen ihr Haar züchtig mit einem Stofffragment. Schon das frühe Mittelalter kannte Kopftücher aus weißem Leinen, welche die Haartracht der Frauen verhüllte. Sie signalisierten die Identität der katholischen Ordensfrauen, die in einem Hospiz tätig waren oder in Klöstern lebten. Auch Männer erwiesen dieser textilen Verhüllung eine Reverenz. Man denke an das hinten geknüpfte Piratentuch, an die Kufiya in arabischen Ländern, an den Schesch der Tuareg oder an die individuell gebundenen Turbane (das türkische „türban“ bedeutet Kopftuch).

Das königliche Nemes-Kopftuch

Dieser ägyptische Kopfschmuck, der den göttergleichen Status des Pharao manifestierte, war ausschließlich dem Herrscher vorbehalten. An der Frontseite symbolisierte ein Geierkopf seine Macht über Oberägypten, während eine Uräus-Schlange (Kobra) die Hegemonie über das unterägyptische Reich verkündete. Auch die Sphinx von Gizeh wurde von den Steinhauern mit einem majestätischen Nemes ausgestattet!

Von der germanischen zur mittelalterlichen Kopfzier

Bei den germanischen Stämmen trugen Mädchen und Jungfrauen ihr langes Haar offen zur Schau. Sie flochten es zu Zöpfen oder schlichten Frisuren, die sie mit einem goldenen Stirnreif oder bestickten Stirnband krönten. Verheiratete Germaninnen verhüllten ihre Haartracht züchtig mit einem Stofftuch oder langen Schleier (rot eingefassten oder goldbestickt aus weißem Linnen). Das althochdeutsche Wort „wiba“ (Verhüllung) wandelte sich zum Begriff „Weib“ und bezeichnete eine vermählte Frau. Das Kopftuch diente zur Angabe der sozialen Stellung und gleichzeitig als Wetterschutz oder modisches Zubehör.

Während des 4. Jahrhunderts waren bis zur Hüfte fallende Kopfschleier en vogue. Man trug solche transparenten Gebilde entweder offen oder befestigte sie mit einer dekorativen Brosche unter dem Kinn.

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Nach seiner Krönung zum deutschen Kaiser pflegte Karl der Große anno 800 enge diplomatische Kontakte zum Kalifen von Bagdad, welche zu guten Handelsbeziehungen führten. Unter den vielen importierten Luxusgütern aus dem Orient begeisterten vor allem die federleichten farbenfrohen Seidenstoffe und transparenten Schleier, welche von den Damen am kaiserlichen Hof mantelartig über ihre prunkvollen Gewänder drapiert wurden. Aus dieser höfischen Sitte soll sich der weiße Brautschleier entwickelt haben.

Im Laufe des 11. Jahrhunderts erwies sich – trotz der Vielfalt an verführerischen Kopfbedeckungen – das Gebende (mittelhochdeutsch: bant) als modischer Favorit. Es handelte sich um ein weißes Stoffband, welches unter einem durchsichtigen Schleier getragen, das Gesicht eng umrahmte.

Während des Spätmittelalters zwischen 1200 und 1500 trugen die Damen federgeschmückte Kopfbedeckungen, koketten Häubchen, orientalischen Turbans, originellen Hörnerhauben und hohe Hennins mit langem Schleier. Auch reich garnierte Stirnbinden kamen in Mode, aus denen sich die festliche „Schapel“ mit dekorativer Blumenzier entwickelte.

Kopftuch auf dem Laufsteg von Dolce & Gabbana und Etro
Kopftuch als High-Fashion-Accessoire bei Dolce & Gabbana und Etro. (Bild: © CATWALKPIX.COM)

Kopftuch und Schleier im Barock & Rokoko

Während der Regierungszeit unter dem Sonnenkönig, seinem Nachfolger Ludwig XV. und Königin Marie Antoinette wetteiferten theatralische Kopfbedeckungen mit hochgetürmten Frisuren, welche von den Haarkünstlern mit Edelsteinen, goldenen Spangen oder ins Haar geflochtenen kurzen Schleiern herausgeputzt wurden.

Das Kopftuch der arbeitenden Frau in ländlichen Gegenden, welches das Haar der Bäuerinnen bei ihrer Arbeit auf dem Felde oder im Stall vor Schmutz und Geruch schützen sollte und im Nacken gekotet wurde, diente anfänglich auch den bürgerlichen Frauen als modisches Beiwerk. Als jedoch viele Bauernmägde als Küchenhilfen, Putzfrauen oder Fabrikpersonal in die Städte strömten und bei der Arbeit ein analoges Kopftuch trugen, wurde seine modische Bedeutung entsprechend entwertet.

Das Kopftuch im 20. Jahrhundert

Während des ersten Weltkriegs mussten die Frauen in vielen Fällen die schwere Arbeit ihrer Männer übernehmen und bei ihrem Einsatz erwies sich das Tragen eines schützenden Kopftuchs in vielen Fällen als selbstverständlich.

Anfang der zwanziger Jahre befasste sich auch die Pariser Haute Couture mit diesem Thema. Neben Modeschöpfern wie Doucet, Worth, Lanvin oder Patou versuchte auch Coco Chanel, das negative Image der umstrittenen Hüllen modisch aufzuwerten. Die Erfinderin des Bubikopfs lancierte elegant drapierte, nach den Entwürfen von Künstlern bedruckte Seidenfoulards, welche zum Segeln, Tennisspielen, exklusiven Golfsport oder Fahren im offenen Cabriolet bestimmt waren. 1924 kombinierte Worth zu Abendroben erstmals ein breites Stirnband, welches den lackierten Bubikopf des Mannequins verhüllte.

Unter dem Nationalsozialismus wurde das Kopftuch im Jahre 1933 zum Wahrzeichen der arbeitenden deutschen Frau und Mutter. Nach dem verlorenen Krieg gehörten solche Tücher jedoch zum Outfit der „Trümmerfrauen“ in den zerbombten Städten.

Ende der sechziger Jahre entdeckte die Protestbewegung der Hippies das Kopftuch im Stil der indischen Folklore. Dieser exotische Kopfschmuck profilierte das gebundene Foulard erneut zu einem begehrten Modeartikel, der in der Folge auch die Häupter des Hochadels, der gesellschaftlichen Elite oder berühmter Filmstars schmückte – Elizabeth II. von England, Fürstin Grace von Monaco, Farah Diba, Jackie Kennedy, Greta Garbo, oder Brigitte Bardot lassen grüßen.

Kopftuch auf dem Laufsteg von Valentino und Versace
Auch die Designer bei Valentino und Versace gehen auf Tuchfühlung. (Bild: © CATWALKPIX.COM)

 

Ein Stück Stoff wird zum Modetrend

Heute zählen reich bestickte oder bunt bedruckte Kopftücher weiterhin zur Ausstattung der traditionellen Trachten. Sie werden durch kostbare Spitzenschals, lange transparente Schleier und spanische Mantillen ergänzt.

Doch in den aktuellen Modetrends hatte das Kopftuch bis vor kurzem noch eher Seltenheitswert, es wurde vor allem durch elegante Herrenhüte, kecke Bérets, Kapuzen oder sportliche Schirmmützen in vielen Farben und Formen abgelöst. Eine Ausnahme von dieser Regel bildet das Kopftuch der muslimischen Frau. Es wird aus religiösen Motiven zelebriert und stellt dabei fast keine modischen Ansprüche. Dadurch ist diese Kopfhülle leider zu einem Politikum geworden.

Nach langer Abstinenz findet man das Kopftuch nun als beliebtes Accessoire auf den internationalen Laufstegen wieder.

Inspiration Runway: Hidschab und Schaila bei Max Mara, Helo Rocher und Versace.
Inspiration Runway: Hidschab und Schaila bei Max Mara, Helo Rocher und Versace. (Bild: © CATWALKPIX.COM)

Eine Übersicht über die Kopfbedeckungen der Frauen in islamischen Ländern findet Ihr in unserem Artikel Kleidung im Islam – Vom Kopftuch bis zur Burka

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